Das Vorbild



1. Entwicklung der Lokomotive

Die Konstruktion der sächsischen XX H V (spätere DRG-Baureihe 19°) orientierte sich an den topographischen Gegebenheiten der Strecke Leipzig – Hof. Die Strecke ist sehr kurvenreich und weist erhebliche Steigungen auf. Um die Strecke effektiv befahren zu können war es notwendig, einen 430 t Zug aus dem Stand heraus an Steigungen zu beschleunigen. Die Reisegeschwindigkeit eines solchen Zuges sollte bei einer Steigung von 10°/oo ca. 70 km/h betragen. Schließlich sollten Kurven mit einem Radius von 565m durchfahren werden.

Die bis dato eingesetzten sächsischen Schnellzug-Lokomotiven konnten diese Leistungen nur mit Vorspann- oder Schubdiensten bewältigen. Berechnungen der sächsischen Staatsbahnen hatten ergeben, dass lediglich eine 1´D1´ h4v (vierfach gekuppelte 4-Zylinder-Heißdampf-Maschine) den Anforderungen des Schnellzugverkehrs im sächsischen Bergland erfüllen könnte. Dieses Ergebnis bestätigte auch eine im Winter 1915/16 zu Vergleichszwecken in Reichenbach/Vogtland stationierte bayrische S 3/6. Die Leistungen der S 3/6 überzeugten die sächsischen Fachleute derart, dass an eine Übernahme der Konstruktion gedacht wurde. Allerdings war man lediglich an den Konstruktionszeichnungen der S 3/6 interessiert, wollte aber keine Aufträge nach Bayern vergeben, weshalb sich die Verhandlungen mit der Fa. J. A.  Maffei zerschlugen. Daraus folgte, dass die sächsische Staatsbahn vorrangig die Firma „Sächsische Maschinenfabrik vorm. Richard Hartmann Aktiengesellschaft“ in Chemnitz mit dem Bau einer Vierzylinder-Maschine beauftragte.

Nun wäre es mit Blick auf die Berechnungen und die vorliegenden Ergebnisse aus der Erprobung der S 3/6 sicherlich möglich gewesen, eine Vierzylinder-Maschine zu bauen. Dies hätte jedoch zur Folge gehabt, dass die Bayern sagen „A da schau her - jetzt bauen die Sachsen unsere S 3/6 nach“. Dies hätte sicherlich dem Ansehen sächsischer Ingenieurskunst sowie dem Ansehen der Sächsische Maschinenfabrik vorm. Richard Hartmann Aktiengesellschaft sehr geschadet.  Daher entschied man sich, zunächst eine 2´C1´h3 Maschine zu konstruieren. So entstand die sä. XVIII (spätere DRG-Baureihe 18°). Die Maschine war für Flachlandstrecken konzipiert und entsprach daher nicht den Anforderungen an den Streckendienst im sächsischen Bergland. Für die sächsischen Gebirgsstrecken wurde entsprechend den Berechnungen eine 1´D1´ h4 Maschine konstruiert – eben die sä. XX H V (spätere DRG-Baureihe 19°). Die beiden Maschinen stellen die Krönung sächsischer Dampflokomotiv-Baukunst im 20. Jahrhundert dar. Während die Baureihe sä. XVIII H (spätere DRG-Baureihe 18°) besonders durch ihre schöne Form und die hervorragenden Laufeigenschaften bekannt wurde war die sä. XX H V (spätere DRG-Baureihe 19°) seinerzeit eine der leistungsfähigsten Dampflokomotiven in Europa, was ihr zwangsläufig den Namen „Sachsenstolz“ einbrachte.

Die Tätigkeit von zwei Männern war eng mit der Entwicklung der beiden Maschinen verknüpft. Zum einen Oberbaurat R. H. Linder (1851 – 1933) seinerzeit Leiter des sächsischen Maschinenwesens und zum anderen G. Meyer Leiter der Chemnitzer Maschinenverwaltung und Nachfolger von Lindner ab 1919. Während Lindner die Entwicklung der sä. XVIII H begleitete vollzog sich unter Leitung von Meyer die Vollendung der sä. XX H V.

2. Einsatzgebiete der Loks

Alle 23 Exemplare wurden nach dem Ende der Länderbahnzeit von der Deutschen Reichsbahn Gesellschaft (DRG) übernommen. Die Maschinen wurden – entsprechend ihrer Konstruktion – im Schnellzugdienst auf der Strecke Leipzig-Reichenbach-Hof eingesetzt. Später erfolgte der Einsatz auch auf den Flachlandstrecken zwischen Dresden nach Berlin und Dresden nach Leipzig. Allerdings wird berichtet, das die Maschine auf den Flachlandstrecken, wegen ihres hohen Kohleverbrauchs, welcher wiederum aus den geforderten Geschwindigkeiten auf diesen Strecken resultierte, nicht gern gesehen war. Dies ist verständlich. Während die Maschine im sächsischen Bergland talwärts rollen konnte und so Dampfvorräte wieder angefüllt wurden,  musste auf Flachlandstrecken ständig Dampf bereitgestellt werden.

3. Werdegang der Maschinen

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges war die 19 021 durch einen Bombenangriff komplett zerstört worden. Die Maschinen 19 002, 19 004, 19 011, 19 014, 19 018, 19 019, 19 021 und 19 023 wurden wegen kriegsbedingter Schäden im Jahre 1951 ausgemustert. Die Maschinen 19 012, 19 015, 19 017 und 19 022 sind später zur VES-M Halle gelangt und wurden dort als Bremsloks eingesetzt. Zu einer Aufarbeitung mit einem neuem Reko-Kessel kam es bei den Maschinen 19 015 und 19 022. Die verbleibenden Maschinen wurden - bis auf die BR 19 017 - bis zum Jahre 1967 ausgemustert. Bei den rekonstruierten Maschinen erfolgte die Ausmusterung 1975 und 1976. Die BR 19 017 ist bis heute rollfähig erhalten geblieben. Die Lok befindet sich seit 1971 im Eigentum des Verkehrsmuseums in Dresden. Bisher konnte die Maschinen einmal im Jahr zum Dresdner Dampflokfest, welches für gewöhnlich Anfang Mai stattfindet, besichtigt werden.

Diese wunderschöne Zeichnung der sächsischen XX HV wurde von dem leider viel zu früh verstorbenen Herrn Gernot Bahr erstellt.

4. Weiterführende Informationen zur Lok

Das Eisenbahnjournal vertreibt zurzeit eine DVD, auf der alle Ausgaben des Länderbahn-Reports enthalten sind. Auf dieser DVD finden Sie auch den Sachsen-Report Band No. 3. In diesem wird die BR 19 umfangreich und mit vielen großen Bildern vorgestellt. Mehr Informationen zur DVD finden Sie hier:

Landerbahnreport